Katholiken

Verfolgung der Katholiken in Viersen
am Beispiel von Josef Dunkel

Überregionales
Die Frage, ob die katholische Kirche Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet habe, lässt sich nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten. Vielmehr weist die Geschichte der deutschen Katholiken 1933−1945 die gesamte Bandbreite möglicher Verhaltensweisen auf, von Beispielen aktiven Widerstands über viele Formen des Mitläufertums bis hin zu gravierenden Fehlern und Versäumnissen. Ebenso uneinheitlich und oftmals widersprüchlich war auch die Politik des Regimes gegenüber der Kirche.
Kirche und Staat waren in Deutschland nicht strikt getrennt. Schnittstellen bestanden zum Beispiel in den katholischen Schulen und auch in der Militärseelsorge. Hinzu kam noch der „politische Arm“ der katholischen Kirche, die Zentrumspartei, in der neben Laien auch viele Geistliche vertreten waren („politische Prälaten“). Die katholische Kirche war nicht nur eine religiöse, sondern auch eine gesellschaftliche Organisation und als Volkskirche an vielen Stellen im Staat präsent. Als mächtige gesellschaftliche und keineswegs nur als religiöse Organisation wurde sie auch von der nationalsozialistischen Regierung wahrgenommen und als weltanschaulicher Gegner gefürchtet und bekämpft.

Systematische Überwachung von Predigten und Veranstaltungen

Die Lage schien sich aus Sicht der Katholiken auch zunächst zu entspannen, da Hitler in seiner Regierungserklärung vom 23.3.1933 der Kirche eine Reihe von Zugeständnissen machte: Die nationale Regierung sieht in den beiden christlichen Konfessionen wichtigste Faktoren der Erhaltung unseres Volkstums. Sie wird die zwischen ihnen und den Ländern abgeschlossenen Verträge respektieren; ihre Rechte sollen nicht angetastet werden, hieß es unter anderem in seiner Rede. 
Der Kardinal Bertram hatte es daraufhin allzu eilig, auch einige Vorbehalte der Katholiken dem Nationalsozialismus gegenüber aufzugeben, um auch weiterhin ein grundsätzlich positives Verhältnis zwischen Kirche und Staat zu ermöglichen. Nur fünf Tage nach Hitlers Regierungserklärung veröffentlichte Bertram seinerseits eine Erklärung, die nicht mit allen Bischofskollegen abgesprochen worden war, und bezeichnete darin eine Reihe der „allgemeinen Verbote und Warnungen“ vor dem Nationalsozialismus „nicht mehr als notwendig“, hielt jedoch eine Reihe anderer „Mahnungen“ weiterhin aufrecht. 
Längst nicht alle Katholiken waren mit diesem allzu raschen scheinbaren „Ausgleich“ mit der NS-Regierung einverstanden. Vor allem jene, die sich im Kampf gegen den Nationalsozialismus besonders engagiert waren – wie zum Beispiel die Mitglieder der Katholischen Arbeitervereine − waren tief enttäuscht, dass ihr Einsatz in der Erklärung nicht einmal gewürdigt wurde. Für andere wiederum bedeutete die Erklärung eine spürbare Entlastung, zum Beispiel für katholische Beamte, die sich in einem schwierigen Loyalitätskonflikt zwischen ihrer Verpflichtung gegenüber dem Staat und ihrer Bindung an die katholische Kirche befanden.
Die inneren Machtstrukturen des Regimes waren für die katholische Kirche nicht immer klar zu erkennen. Sie hielt sich daher an die offiziellen Zuständigkeiten und verhandelte mit der NS-Regierung in der gleichen Weise, wie sie es auch mit anderen Regierungen getan hätte. So folgte 1933 zunächst der Versuch, das Verhältnis zwischen Kirche und Staat vertraglich zu regeln: Am 20.7.1933 wurde das Reichskonkordat unterzeichnet.

Der Vertrag versprach die Freiheit des Bekenntnisses wie der Religionsausübung, stellte den Erhalt der Bekenntnisschulen wie den Schutz der religiösen, kulturellen und karitativen Organisationen in Aussicht und gab vor, auch soziale und berufsständische Einrichtungen des Katholizismus anzuerkennen. Der Preis hierfür war jedoch, dass Katholiken und Kirche jede weitere parteipolitische Betätigung einstellen mussten.
Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund konnte der Nationalsozialismus zielstrebig seine Stellungen ausbauen.

Die Erzdiözese Köln war – gemessen an der Zahl der Katholiken – mit Abstand die größte deutsche Diözese. 2,5 Millionen Katholiken lebten dort und machten fast 60 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. An der Spitze des Bistums stand seit 1920 Erzbischof Karl Joseph Schulte.
Er sah einen seiner Arbeitsschwerpunkte auf dem Gebiet der Soziallehre. Mit allgemein-politischen Fragen befasste er sich nur notgedrungen. Nur ungern sah er sich als Kölner Erzbischof mit den großen Konflikten der Weimarer Schulpolitik und der Rheinlandfrage konfrontiert.
Auch angesichts des Nationalsozialismus blieb Schulte sehr − oftmals allzu sehr − zurückhaltend. Obwohl unerschütterlich in seinen Glaubensgrundsätzen, versuchte er die Auseinandersetzung auf das rein religiöse Gebiet zu beschränken, auch als längst unübersehbar geworden war, dass die Verfolgungspolitik der Nationalsozialisten weit mehr war als ein religiöser Konflikt.
Erzbischof Karl Joseph Schulte starb kurz vor seinem 70. Geburtstag nach einem Fliegerangriff auf Köln in der Nacht zum 11.3.1941. Es dauerte ein Jahr, bis am 7.3.1942 sein Nachfolger Josef Frings gewählt wurde. Frings war in mancher Hinsicht das Gegenteil seines Vorgängers. Er ist bis heute bekannt für seine Volksnähe und die große Beliebtheit, die er sich vor allem in der Notzeit der Nachkriegsjahre erwarb. Populär wurde zum Beispiel die Redensart vom „fringsen gehen“ als Umschreibung für den Kohlenklau. Auch in der Auseinandersetzung mit der NS-Regierung agierte Frings mutiger als sein Vorgänger und nahm in seinen Hirtenbriefen und anderen Äußerungen offen Stellung gegen die NS-Ideologie und -Politik. Um in der Auseinandersetzung zwischen Kirche und NS-Regime noch spürbaren Einfluss ausüben zu können, kam Frings aber zu spät.

Die heutige, rückblickende Sicht auf die Geschichte der katholischen Kirche im „Dritten Reich“ deckt sich nicht immer mit der Sichtweise der Zeitgenossen. Vor allem die Wahrnehmung durch das NS-Regime war eine ganz andere als die bislang geschilderte. Für die NS-Machthaber war die katholische Kirche ein starker Gegner, den es zu bekämpfen galt. Sie malten sich ihr Feindbild in den düstersten Farben aus, und zu Gegnern wurden die Katholiken nicht erst durch aktive Kritik oder gar Widerstand gegen das „Dritte Reich“, sondern bereits durch ihre Eigenschaft als Katholiken. Die Kirche war ein weltanschaulicher Gegner. Für den NS-Staat aber war Weltanschauung alles – seine gesamte Politik und Herrschaft fußte darauf – und die Kirche deshalb ein gefährlicher Rivale. Das NS-Regime forderte die Herrschaft über den ganzen Menschen, die Katholiken aber huldigten in ihren Augen dem falschen Herrn.  
Dabei war die nationalsozialistische Sicht auf die katholische Kirche nicht frei von Widersprüchen: Nahm sie die Kirche einerseits als Gegner wahr, konnte andererseits ihr Konzept der Volksgemeinschaft nicht aufgehen, wenn ein Drittel der Gesamtbevölkerung – eben der katholische Bevölkerungsanteil – nicht dazugehörte. So sahen sich die Katholiken einerseits Verfolgungsmaßnahmen des Regimes ausgesetzt, andererseits war die Regierung auf die Unterstützung auch des katholischen Bevölkerungsdrittels angewiesen. Die Strategie der Regierung schwankte zwischen Nadelstichen, vorübergehenden Phasen des Waffenstillstands und verschärften Verfolgungsmaßnahmen.
Verfolgungen bis hin zur Einlieferung in ein KZ erfolgten oft wegen (meist angeblicher) Devisenvergehen und Homosexualität oder Versagung des Hitler-Grußes oder nicht erfolgter Beflaggung mit NS-Fahnen oder Weitergabe verbotener Schriften. Diese richteten sich auch gegen Viersener Pfarrer (z.B. Dr. Kremer, Franz Lambertz, Laurenz Linden, Joseph Dunkel, Gustav Raab u.a.).
Widerstand gegen ihre eigene Verfolgung hat die Kirche zweifellos und nicht ohne Erfolg und Verluste geleistet. Dies, die Aufrechterhaltung der kirchlichen Strukturen, war ihre klare Priorität. Deshalb gerieten oft jene Gruppen aus dem kirchlichen Blick, deren Verfolgung ungleich radikaler ausfiel, allen voran die Juden. Zu ihrer Rettung wären deutlich wirkungsvollere Protest- und Hilfsaktionen der katholischen Kirche wünschenswert gewesen. Es blieb zumeist bei verbalen Protesten und Rettungstaten einzelner Katholiken. Zu sehr war die Kirche insgesamt mit sich selbst beschäftigt, um hier zu tun, wozu sie moralisch verpflichtet gewesen wäre. Als ein Grund dafür kann vermutet werden, dass die Kirche ihre eigene Kraft tendenziell unterschätzte, die Kraft einer funktionierenden Massenorganisation inmitten eines totalitären Staates, ihre nach wie vor starke Öffentlichkeitswirkung. Aber dies zeigt sich im Rückblick zweifellos deutlicher als in der zeitgenössischen Perspektive derer, die in den Jahren des „Dritten Reiches“ Entscheidungen zu fällen hatten. (Mertens, Annette, Widerstand gegen das NS-Regime? 
Katholische Kirche und Katholiken im Rheinland 1933−1945, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: http://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/widerstand-gegen-das-ns-regime-katholische-kirche-und-katholiken-im-rheinland-1933%25E2%2588%25921945/DE-2086/lido/57d13613522708.12312072 (abgerufen am 06.02.2020)
Der Dechant der Pfarre St. Remigius, Gerhard Frenken, geht in seiner „Geschichte der Kirche und Pfarre zum hl. Remigius in Viersen“ mit keinem Wort auf die Verfolgung der jüdischen Gemeinde und deren in unmittelbarer Nähe in der Rektoratstr. 10 gelegenes und zerstörtes Bethaus ein.

Ein Viersener Schicksal

Joseph Dunkel
(Auszug aus der Datenbank der virtuellen Gedenkstätte Viersen)

GEBURT
06.07.1906 in Düren

ADRESSE
Klosterstr. 43 in Dülken

BERUF
Kaplan

TOD
01.01.1988 Monschau

VERFOLGUNGSGRUND
Christen (katholisch)

ANMERKUNGEN
Wegen seiner gegen die Nazis gerichteten Predigten in Stolberg wurde Dunkel am 30.5.1935 zusammen mit Kaplan Thoren verhaftet und ins Polizeigefängnis Aachen überführt.Durch Protest des Aachener Bischofs und des päpstlichen Nuntius beim Gestapoamt in Berlin kamen beide Priester frei, zunächst verbunden mit einem Aufenthalts- und Redeverbot für den Stadt- und Landkreis Aaachen. Am 12.6.1935 wurde Dunkel nach Dülken versetzt, wo er bis 1939 als Kaplan und Nachfolger von Kaplan Wilhelm Tonnet tätig war. Wegen Befürwortung von Bekenntnisschulen und Jugendseelsorge erhielt er 1936 Unterrichtsverbot.Am 24.3.1939 denunzierte ihn der Schulungsleiter der HJ (Hitler-Jugend) Ortsgruppe Dülken, so dass es zu weiteren Schritten der Gestapo MG kam, so zu Verhören von Jugendlichen und Hausdurchsuchungen bei Dunkel. Am 29.3.1939 um 1 Uhr nachts wurde er erneut verhaftet, am nächsten Morgen ins Untersuchungsgefängnis MG verbracht. Am 29.9.1939 fand der Prozess vor dem Sondergericht Düsseldorf statt.Vorwurf: Weiterführung des kath. Jugendverbandes, Gefährdung des öffentlichen Friedens durch heimtückische Fortführung eines kath. Jugendverbandes und Verbreitung des verbotenen Weißbuches mit kritischen Äußerungen über den Staat.Urteil: sechs Monate Gefängnis unter Anrechnung der U-Haft. Danach musste er die hiesige Region verlassen und erhielt einen Seelsorgeauftrag in Schmölln (Thüringen). Am 11.9.1944 musste er ein "Sicherungsgeld" von 3.000 Reichsmark zahlen, weil er verbotenerweise französische Kriegsgefangene betreut hatte.Nach dem Krieg wirkte er als Pfarrer in Mönchengladbach, Kreuzau, Krefeld-Uerdingen und Dahlem-Berk (bis zur Pensionierung 1985).
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