Kommunisten

Verfolgung der Kommunisten in Viersen
am Beispiel von Familie Wins und Friedrich Feld

Überregionales
Den entschiedensten Widerstand gegen das NS-Regime leisteten die im Rheinland organisatorisch fest verankerten Kommunisten. Sie hatten sich auf die Illegalität vorbereitet und versuchten vor allem in den städtischen Ballungsräumen, Industrie- und Bergbauzentren zwischen Duisburg, Aachen, Wuppertal und Köln auf ein baldiges Ende der Diktatur hinzuarbeiten. Sie organisierten Hilfeleistungen für verhaftete „Genossen", hielten Kontakt zu emigrierten Funktionären und Führungskadern jenseits der Westgrenze und waren bemüht, mit Broschüren, Flugblättern oder Wandparolen eine antifaschistische „Gegenöffentlichkeit" aufzubauen, um den Glauben an den Nationalsozialismus zu erschüttern.

Angst vor Verrat und ständiges Misstrauen

Der offene Widerstand und das Festhalten der KPD an gewohnten Organisationsstrukturen erleichterten den Zugriff der staatlichen Verfolgungsinstanzen. Noch 1933 setzte eine Serie von Verhaftungsaktionen und Gerichtsprozessen ein, die alle größeren Städte des Rheinlandes erfasste und in wenigen Jahren mehrere tausend Kommunisten in die Hände von Gestapo und Justiz brachte. Auch wenn die KPD aufgrund dieser Rückschläge ihre Widerstandsstrategie veränderte, hielt sie an ihren grundsätzlichen Zielen fest. Spätestens 1936/1937 jedoch waren die KPD-Strukturen im gesamten Westen zerschlagen und ein Großteil der Funktionäre saß im Konzentrationslager oder Zuchthaus. Die in Freiheit verbliebenen Kommunisten zogen sich nun in Kleingruppen zurück und wurden erst gegen Kriegsende wieder aktiv. (Roth, Thomas aaO)
Morde und schwerste Misshandlungen durch SS und Gestapo sind in der Opferdatenbank der „Virtuellen Gedenkstätte Viersen“ dokumentiert, siehe u.a. Wins und Gehrmann.
Bei der Stadtverordnetenwahl in Alt-Viersen erzielte die KPD 1929 21.8% der Stimmen und lag damit hinter dem Zentrum (43,6%) an zweiter Stelle.1933 lag die Zustimmung zur KPD nur noch bei 8,93% (Zentrum: 35,61%). Wahlsieger war die NSDAP mit 37,84% der Stimmen.
Die Kommunisten isolierten sich durch ihre bis ins dritte Jahr nach der NS-Machtverleihung fortgeführte Kampfansagen an Zentrum und SPD. Am katholisch geprägten Niederrhein schreckten aber auch die politischen Zielsetzungen und deren Orientierung an sowjet-russischen Vorbildern ab. Die Erwartung, dass nach Hitlers Machtergreifung ein massenhafter Zulauf des Proletariats einsetzen würde, erfüllte sich nicht.
Katastrophal waren auch die Wirkungen, die das sich ausbreitende Spitzelwesen und das vielfach bezeugte Denunziantentum hatten. Sie zerstörten das Vertrauen untereinander und schufen eine Atmosphäre ständigen Misstrauens und der Angst vor Verrat.
Manche Kommunisten flohen ins Ausland und setzten den Kampf gegen den Faschismus auf dem spanischen Kriegsschauplatz fort (so auch die beiden Söhne Otto Gehrmanns, die dort beide umkamen).

„Die Tragödie der kommunistischen Widerstandskämpfer bestand eben darin, dass sie mutig den faschistischen Terror bekämpften, zugleich aber einer Bewegung angehörten, die selbst auf die alleinige Macht, die Diktatur ihrer Partei abzielte und völlig von der Sowjetunion Stalins abhängig war, die also letztlich keine demokratische Alternative zur Hitler-Diktatur bilden konnte. Doch diese politische Bewertung der KPD kann die moralische Leistung der kommunistischen Widerstandskämpfer nicht schmälern“. (Weber, Hermann: KPD in der Illegalität, Seite 100 – zitiert nach Schüngeler, Heribert, Widerstand und Verfolgung in Mönchengladbach und Rheydt, MG 1985) 
Überwachung, Schikane und Strafverfolgung sowie Verbot der KPD setzten die Ächtung der Kommunisten nach 1945 fort. (siehe auch „Das Schicksal der Familie Wins“ und Eintrag zu Friedrich Feld in der „Virtuellen Gedenkstätte Viersen“).
Zwei Viersener Schicksale

Familie Wins

Mit der Ermordung von Karl Martin Wins 1933 beginnt ein nicht endender Leidensweg für seine Angehörigen: Sohn Martin Heinrich Wins kommt in Schutzhaft, wird schwer misshandelt. Auch nach dem Krieg wird die Familie schikaniert und wegen ihrer ungebrochenen Nähe zur KPD gar wegen Staatsgefährdung angeklagt. Die Enkelin Inge L. berichtet von ihren Erinnerungen und Recherchen zur staatlichen Verfolgung ihrer Familie durch die Systeme hindurch.
Die Ermordung

Das Haus der Familie Wins wurde für politische Versammlungszwecke der Kommunisten genutzt. Hausdurchsuchungen waren regelmäßig der Fall. Herr Wins versuchte nach einer Versammlung, als die SS an der Haustür Oberrahserstr. 170 klingelte (heute stehen dort moderne Reihenhäuser), durch eine Luke aufs Dach zu flüchten. Hierbei wurde er mit Dum-Dum-Geschossen tödlich verletzt. Die Begebenheit wird in mehreren Unterlagen zitiert, so z.B. in Klaus Marcus: Der grosse Krieg und die kleine Stadt, Seite 432.


Beerdigt wurde er auf dem Friedhof auf der Löh, zunächst auf der rechten Seite des Hauptweges parallel zum Löhweg. Im Zuge von Planungsänderungen erfolgte Anfang der 50-er Jahre eine Umbettung. Seine Ehefrau Elisabeth (geb. Ingenstou; 14.8.1882 – 4.1.1966) erreichte, dass die Gräber zu Ehrengräbern ernannt wurden, welche von der Stadt unterhalten und nicht beseitigt werden dürfen. Sie fand dort ebenfalls ihre letzte Ruhe. Dorthin umgebettet wurde auch Otto Gehrmann (6.12.1878 – 4.11.1936) – gleichfalls Kommunist und von der Gestapo getötet.

Der nicht endende Leidensweg der Familie

Im Zuge der Mordaktion wurde Martin Heinrich Wins (26.2.1908 – 2.9.1983), der Sohn von Karl Martin Wins, mit 25 Jahren in „Schutzhaft“ genommen und so schwer misshandelt, dass er ertaubte. Er hatte durch den Tod seines Vaters seine Arbeitsstelle im väterlichen Schneiderbetrieb verloren, blieb lange arbeitslos und verdingte sich als Hilfsarbeiter. Wins wurde schließlich wegen seiner Taubheit als Wehruntüchtiger zusammen mit seiner Ehefrau „dienstverpflichtet“ bei den „Junkers-Werken“ in Dessau, einem der bedeutendsten Rüstungskonzerne.

Ausbleibende "Stunde Null"

Martin Heinrich Wins und seine Ehefrau kamen 1945 aus Dessau zurück, als die Engländer angeblich den SS-Mann vor Gericht stellen wollten, der den Befehl zur Ermordung des Vaters gegeben hatte. Er ist jedoch nie verurteilt worden.
In der Zeit nach Kriegsende haben die Eltern mit Familie (inzwischen fünf Kinder, darunter Inge L.) in Notunterkünften im Hamm und danach durch Zwangseinweisung auf der Hardter Str. 41 gewohnt.
Inge L. besuchte die Zweitorschule und später das Mädchen-Gymnasium an der Lindenstraße. Martin Heinrich arbeitete noch bis Anfang der 50er Jahre als inzwischen selbständiger Schneidermeister. Als das im Zuge des Wiederaufbaus brotlose Kunst wurde, blieb er bis zu seinem Renteneintritt Hilfsarbeiter in der „Viersener Baumwoll Feinweberei“.
Sein Vater und Großvater von Inge L. ist nie als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt worden, Witwen und Waisen erhielten keine entsprechenden Renten. Martin Heinrich Wins wurde eine Entschädigung für die Schutzhaft und deren Folgen verwehrt; er erhielt eine (nicht staatliche) „Verfolgtenrente“.
Fortsetzung der Ächtung zwischen fehlender Aufarbeitung und roter Angst

Die Eltern blieben Zeit ihres Lebens Kommunisten und gehörten dem Deutschen Freidenker Verband (Weltanschauungsgemeinschaft / Interessengemeinschaft konfessionsfreier Menschen) an. Gegen die Eltern und älteren Geschwister von Frau L. wurden nach dem KPD-Verbot (17.8.1956) Verfahren wegen „Staatsgefährdung“ eingeleitet, vier davon eingestellt. Eine Schwester und ihr Mann wurden nach langer U-Haft im Gefängnis Anrath wegen „Hochverrats“ verurteilt. Die ganze Familie Wins stand auch nach dem Krieg noch lange unter Beobachtung der „Politischen Polizei“ (K14), die regelmäßig Hausdurchsuchungen durchführte, geleitet von Manni Scholz.

Die Familiengeschichte zeigt geradezu typisch, dass es die Opfergruppe der Kommunisten in der Nachkriegszeit noch schwerer als andere Opfergruppen hatte, zu einer finanziellen Entschädigung für erlittenes Unrecht zu kommen und gesellschaftliche Anerkennung zu erhalten. Vielmehr setzte sich die Ächtung (Parteiverbot, Berufsverbote) nach kurzer Unterbrechung fort.


Friedrich "Fritz" Feld 
(Auszug aus der Datenbank der Virtuellen Gedenkstätte Viersen)

GEBURT
08.11.1883 in Viersen

ADRESSE
Krefelder Str. 59a in Viersen

BERUF
Steinsetzer, Pflasterer, Kraftfahrer, Dreher, Fräser

DEP./EMIGR.
03.01.1937 Niederlande, dann Spanien und Frankreich

TOD
16.06.1966 Viersen

VERFOLGUNGSGRUND
Kommunist (KPD-Aktivitäten und Spanienkämpfer)

JURISTISCHES
Schutzhaft 01.03-31.10.1933 (Viersen, Mönchengladbach, Anrath). Schutzhaft 04.11-16.12.1933 (Gestapokeller/Polizeigefängnis Viersen). Schutzhaft 07.04.1934-20.04.1934 (Polizeigefängnis Viersen). Konzentrationslager Camp de Vernet/Frankreich 26.05.1938-25.05.1940. Schutzhaft 26.05.-14.07.1940. Konzentrationslager Buchenwald 15.07.1940-15.05.1945

ANMERKUNGEN
Von Beruf Steinsetzer. Arbeitete bei der Fa. Schneider und Adolf Steinborn; Fa. Gustav Oehler und Sohn, Essen-Borbeck; Fa. Otto Müller, Wanne-Eickel;im Winter auch als Dreher und Fräser. Ab 1928 oder 1929 arbeitslos. - Anfang 1915 für 8 Monate Grenzdienst im Landsturmbataillon in Herbesthal. Dienstuntauglich wegen einer Hüftgelenkverrenkung 1908 oder 1909. -Seit 1931 KPD- und Rote-Hilfe-Mitglied. Verkaufte vor dem Arbeitsamt in Viersen kommunistische Zeitungen. Gestapoverhör: Verneint Funktionärstätigkeit. Laut Gestapo "Berüchtigter Kommunist". Sieben mal vorbestraft , hauptsächlich wegen Gewalttätigkeiten, auch wegen Bandenschmuggel und Münzvergehen. -Verheiratet mit Maria Feld, geborene Nüse (seit 1951 getrennt lebend), Vater von Rosemarie Feld. - Bereits Januar bis Ende Oktober 1933 Schutzhaft. Danach Pflichtarbeiten bei der Stadt Viersen bis zur Emigration. Am 23. oder 26. oder 31.1.1937 (angeblich) wegen Arbeitssuche bzw. wegen etwaigen Verdachts von Kommunisten, dass er ein Spitzel sei, kurzfristig nach Venlo , Rotterdam und Amsterdam/NL. Am 5.April 1937 über Belgien und Lille sowie Paris/Frankreich nach Vigueras/Spanien. Nach eigenen Angaben bei der Gestapo auch wieder, um Arbeit zu finden; bestreitet dort Kampfhandlungen für die Internationalen Brigaden: An der Grenze zu Spanien von den "Roten" verhaftet und zur Zwangsarbeit in Albacete (Herstellung von Handgranaten) verpflichtet. Nach 14 Tagen Fluchtversuch nach Frankreich. Gefasst und Mitte Mai 1937 nach Guadalajara verbracht. Ende Juni sollte diese Truppe in Madrid eingesetzt werden. Hinter Escorial Gehunfähigkeit vorgetäuscht wegen seines Beinleidens. In ein Hospital nach Madrid eingewiesen und nach 8 Tagen nach Albacete verbracht.Von den Interbrigadistas in ein Hospital nach Benicasin geschickt. Dort bis September 1937.Nach weiteren 14 Tagen in einem anderen Hospital wegen eines Herzleidens nach Fortuna geschickt, nach 14 Tagen zurück nach Albacete. Von dort ins Hospital nach Benica für 2 bis 3 Monate. Hatte Genehmigung vom Kriegsministerium, Spanien zu verlassen. Antibrigadistas verweigerten dies und schickten ihn in ein KZ (Konzentrationslager) in Mahaura, anschließend in die "Badeanstalt" St. Sebastian bei Barcelona. Nach 6 Wochen nach Sagarro. 
Am 12.5.1938 Hospital in Pellier/Frankreich bis Dezember 1938. Dann in einem Hospital in Clamcy 5 Stunden täglich gebügelt. Am 10.9.1939 Militärgefängnis in Orléans. Vom 12.10.1938 bis Mai 1940 im KZ (Konzentrationslager) Camp du Vernet (ca. 80 Kilometer von Toulouse). Am 25.5.(7.?)1940 von der Gestapo in Frankreich übernommen nach Straßburg in das Rückkehrerlager. Wurde nach 8 Tagen von dort zur Zwangsarbeit in die Hermann-Göring-Werke nach Watenstedt/Braunschweig geschickt (Stammlager 9). Das Reichssicherheitshauptamt in Berlin verfügte am 28.8.1940 die sofortige Festnahme und Schutzhaft für die Dauer des Krieges. Am 2.9.1940 festgenommen und zur Gestapo Düsseldorf überstellt, am 20.9.1940 Polizeigefängnis Düsseldorf. KZ (Konzentrationslager) Buchenwald bis zur Befreiung am 15.5.1945. Seitdem Invalide. - Drei "Passfotos" in der Gestapo-Akte. - Korrespondiert während seines vorangegangenen Auslandsaufenthalts mit seiner Ehefrau über Deckadressen (Paul und Karl Werkmeister, Kaiserstr.6a bzw. in Baracke, Krefelderstraße). Kripo Viersen bittet Gestapo Düsseldorf um Anordnung der Postkontrolle, was am 27.1.1939 bewilligt wird. 1939 auch Ermittlungen gegen die Ehefrau. - Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft am 25.2.1939.- Nach dem Krieg revidiert er teilwweise seine o.g. Angaben vor der Gestapo und bestätigt Teilnahme am spanischen Bürgerkrieg. Am 12.3.1946 Anerkennung als Verfolgter des Naziregimes. Haftentschädigung in Höhe von 10.050.-DM. Beschädigtenrente ab 1.9.1946 (Körperschäden als Beschädigungsfolge) in Höhe von 233.-DM/mtl. infolge von Misshandlungen (Zahnschäden, Leistenbruch durch Schläge und Fußtritte) und Krankheitserscheinungen infolge Hafteinwirkung (Entknorpelung des Rückgrades durch Hunger, Herzleiden und Skorbut, Bronchialkatarrh). Lohnausfall in Höhe von 24.395.-Reichsmark für die Zeit vom 1.3.1933 bis zum 15.5.1945 geltend gemacht (1955). Der Regierungspräsident akzeptiert am 4.6.1955 im Vorauszahlungsvermerk 11.863,50 Reichsmark, was 2.372.-DM entspricht. Im Bescheid des RP vom 9.8.1958 werden letztlich 8.697,60 DM zugesprochen.
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